Kunstgeschichte in Serie: Die französische France2-Produktion L’art du crime

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Die französische Krimiserie „L’art du crime“, die seit 2017 auf France 2 ausgestrahlt wird und aktuell 8 Staffeln umfasst, verbindet auf einzigartige Weise kriminalistische Erzählungen mit kunsthistorischer Thematik. Im Mittelpunkt stehen das ungleiche Ermittlerduo Antoine Verlay, Capitaine beim Pariser OCBC (Office Central de lutte contre le trafic des Biens Culturels), und Florence Chassagne, Kunsthistorikerin am Louvre. Die Serie zeichnet sich durch ihre Fähigkeit aus, die statische Visualität klassischer Gemälde in die dynamische audiovisuelle Erzählung des Fernsehens zu überführen und so das Medium Bildkunst neu zu interpretieren.

Im Gegensatz zu anderen Serien und Filmen, die Kunstverbrechen behandeln – wie das US-amerikanische „White Collar“ oder Ron Howards „The Da Vinci Code“ – geht „L’art du crime“ über reine Referenzen hinaus. Die Serie nutzt die Medialität des Fernsehens, um Gemälde nicht nur als Objekte zu präsentieren, sondern sie narrativ in ihre Handlungsstränge zu integrieren. Jede Episode verknüpft einen Kriminalfall mit einem Kunstwerk, das sowohl Ausgangspunkt als auch erzählerisches Motiv der Handlung ist. Dabei reicht die Bandbreite von Werken europäischer Meister wie Da Vinci, Botticelli über Watteau, Delacroix, Monet bis zu van Gogh, Munch und vielen mehr.

Ein zentrales Element der Serie ist die Serialität. Wiederkehrende Gemälde und Motive werden über mehrere Episoden hinweg in unterschiedliche Kriminalfälle eingebunden. So wird etwa Monets Gemälde Un coin d’appartement zum Schlüssel, der Verlays und Chassagnes Entwicklung ebenso prägt wie die Handlung der Serie. In den Episoden zu Géricaults Le Radeau de La Méduse wird das Drama der historischen Schiffskatastrophe auf eine Mordserie übertragen: Die Monomanen-Serie des Malers dient als Vorlage für die Opferauswahl eines Serienmörders. Die statische Darstellung des Gemäldes wird durch die serielle Handlung in eine fortlaufende, dynamische narrative Struktur transformiert. Ähnlich verhält es sich bei Monets Impressionismus, wo Kopien und Fälschungen von Kunstwerken in den kriminalistischen Erzählfluss eingeflochten werden, wodurch die Einmaligkeit der Originalwerke in einen neuen, seriellen Kontext gestellt wird.

Neben der Serialität spielt die Theatralität eine zentrale Rolle. Florence als Kunstexpertin und weibliche Hauptfigur des Ermittlerduos kann sich in Gesprächen mit historischen Künstlern vorstellen, wie diese jenseits ihrer Werke buchstäblich lebendig werden. In mehreren Episoden wie etwa in der Ermittlung im Moulin-Rouge werden die Motive von Toulouse-Lautrec regelrecht nachgestellt, wodurch die statische Bildkunst performativ in die Realität geholt wird. Die körperliche Inszenierung, gekoppelt mit psychologischen Hintergründen der Protagonisten, macht die Kunstwerke nicht nur sichtbar, sondern erfahrbar und spannungsgeladen. Die Serie nutzt so das Zusammenspiel von audiovisuellem Medium und theatralischer Darbietung, um historische Kunst in die Gegenwart zu holen.

Durch diese Verbindung von kunsthistorischem Wissen, kriminalistischer Handlung und televisiver Medialität bietet „L’art du crime“ einen innovativen Zugang zur Kunstgeschichte. Gemälde werden nicht nur betrachtet, sondern erzählt, performt und in ihrer historischen und materiellen Beschaffenheit in die Handlung integriert. Die Serie demonstriert, wie Bildkunst durch Fernsehen serialisiert und in einen narrativen Kontext gesetzt werden kann, wodurch sie ein modernes Publikum sowohl unterhält als auch kunsthistorisch bildet.

„L’art du crime“ ist somit mehr als ein Krimidrama: Es ist ein Beispiel für medienübergreifende Kunstvermittlung, die die Grenzen zwischen statischer Bildkunst und bewegtem Bild auflöst und klassische Werke in neue narrative und emotionale Dimensionen überführt.

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